Wer macht eigentlich eine Kreuzfahrt?
Schliesslich sind Kreuzfahrten nur etwas für alte Leute, spiessig, die reinste Massenabfertigung, unindividuell. So zumindest eine landläufige Meinung,- und teilweise auch unsere. Zumindest bis zum Herbst 2008.
Oktober 2008. Mein Mann und ich freuen uns auf unsere gebuchten Polo Ferien in Argentinien, als er bei einem Training mit dem Pferd stützt und „so komische Schmerzen in rechten Unterarm“ verspürt. Ein Besuch beim Dock zeigt jedoch: Es ist nichts. Na dann..
Nur noch 2 Wochen arbeiten, davon eine Woche Geschäftsreise nach Shanghai, dann geht’s endlich los in das wunderbare Argentinien, auf die Farm unseres Polotrainers hier in Zürich.
Aus Shanghai erhalte ich regelmässige Statusupdates, dass der Arm immer noch recht schmerzt. Nach der Rückkehr in die Schweiz also schnell nochmal zum Röntgen. Resultat: Ein Bruch! Beim ersten Arztbesuch wurde ein zu kleiner Ausschnitt geröntgt und so war der Riss auf dem Bild leider nicht erfasst.
Was also tun? Überarbeitet und voller Vorfreude auf die Ferien, wollten wir auf keinen Fall cancellen, Polo spielen mit gebrochenem Arm erübrigte sich ja nun leider…
Wir machen auch sehr gern Rundreisen, Sightseeing und wollten unbedingt „in die Sonne“. Kreuzfahrten haben wir immer belächelt, etwas für „alte Leute“, spiessig, Schlange stehen vor schlechten Buffets etc. Andererseits haben wir langjährige Kreuzfahrtfans in der Familie und liessen und schlussendlich überreden. Eine Rundreise, ohne lästiges ein-auspacken oder Gepäck schleppen- ein schlagendes Argument für Leute mit gebrochenem Arm.
Kurzentschlossen (und für Kurzentschlossene hält die Kreuzfahrtindustrie einige attraktive Schnäppchen bereit!) buchen wir einen Karibiktörn auf einem wunderschönen Fünftmaster der Windsurf der Reederei Windstar. Dies ist mit ca. 300 Gästen ein eher kleines und familiäres Schiffchen. Unterschieden wird meist in mittlere Schiffe von 1000-3000 und grosse Schiffe bis über 5000 Gäste.
Eigentlich nur als Trostpflaster für den verpatzen Polo Urlaub gebucht, kommen wir um so begeisterter nach Hause! Einige Clichés über das Kreuzfahren sind zwar war, andere nicht. Jedoch ist die Kreuzfahrtindustrie nicht umsonst die am schnellsten Branche des Tourismus.
In der Zwischenzeit waren wir bereits das zweite mal auf hoher See unterwegs, mit der Seabourn Sojourn von Valparaiso nach Buenos Aires. Ebenfalls ein kleineres, aber sehr luxuriöses Schiff. Eine unserer absolut spektakulärsten Reisen überhaupt.
Was hat und dann plötzlich überzeugt?
Die herrliche Atmosphäre einer Schiffsreise, ganz besonders auf einem Segelschiff!
Die Ruhe & Entspannung des Wassers, die langsam vorbeiziehende Landschaft. Wie die meisten, haben wir uns an das Tempo von Flugreisen gewöhnt. Eine ungeheure Geschwindigkeit, bei der die Seele kaum mithalten kann. Abendessen in Hong Kong, Frühstück in Zürich. Nach duzenden von Reisen staune ich darüber jedes mal. Um so entschleunigender ist es auf einem schönen Holzdeck eines Schiffes zu sitzen, zu lesen und die Natur vorbeifahren zu sehen.
Je nach Route verbringt man mehr oder weniger Zeit auf See, teilweise steht täglich ein neuer Ort auf dem Programm. Wir haben in der Vergangenheit gern Rundreisen auf eigene Faust organisiert und waren begeistert, wie viel entspannter das Reisen mit dem Schiff ist. Uns wurde so erst bewusst, wie viel Zeit ansonsten das ständige Ein-Auspacken, Ein-Auschecken, Transfer planen beansprucht. Zeit die man auf einer Schiffsreise einfach nur zum Geniessen nutzen kann.
Uns hat besonders die Atmosphäre auf den kleinen Schiffen gefallen. Zwar bin ich noch nie auf einem wirklich grossen Kreuzfahrtschiff gereist, stelle es mir aber deutlich hektischer vor. Für Ruhesuchende kann ich aber Windstar und Seabourn voll empfehlen.
Kommentare, die wir wieder zu wieder zu hören bekamen:
„Eine Kreuzfahrt ist doch nichts für junge Leute!“
Je nach Reederei. Mit Anfang 30 gehörten wir bei Windstar und Seabourn sicher zu den jüngsten Gästen an Bord. Anfangs war das für uns sicher auch etwas gewöhnungsbedürftig, im weiteren Verlauf der Reise haben wir den Altersunterschied aber sogar zu schätzen gelernt. Wir haben einige Menschen kennengelernt, die wir anderswo nicht so einfach getroffen hätten. Einige, interessante und amüsante Gespräche sind mir heute noch sehr gut in Erinnerung und ich freue mich sehr über diese Bekanntschaften!
Ich erinnere mich an eine sehr lustige Truppe Senioren aus Marthas Vineyard, die Rektorin einer US Highschool und einen Musikproduzenten aus New Jersey, mit denen wir sehr interessante/lustige/entspannte Tage verbracht haben.
Wem es wichtig ist, in der eigenen Altersklasse zu reisen, der schaut bei XY vorbei, hier gibt es eine interessante Aufstellung, welche Reederei auf welches Publikum spezialisiert ist.
„Wie langweilig…“
Eine meiner grössten Befürchtungen war, dass wir uns auf dem kleinen Schiff langweilen würde.
Natürlich: Je kleiner das Schiff, desto grösser das Schiffsfeeling, aber desto weniger Entertainment steht naturgemäss zur Verfügung. Wir können sehr gut mal einen Seetag mit Lesen und Entspannen verbringen, trotzdem war es eine gute Entscheidung einen Trip mit vielen Stops („Ports of Call“) zu wählen. Wir sind auf Barbados gestartet, nach St.Kitts & Nevis, Martinique, St. Martin, St. Barth, Guadeloupe und St.Lucia. Fast täglich haben wir so einen neue Insel besucht und sind Abends wieder aufgebrochen. Besonders für eine Karibiktrip kann ich dieses Muster sehr empfehlen, denn schöne Hotels können dort sehr teuer sein. Auch sind viele Inseln sehr klein- man hat sie also schnell gesehen. Eine Kreuzfahrt ist somit ideal, sich gerade nicht zu langweilen in der Karibik.
Auf unsere zweiten Kreuzfahrt von Valparaiso (Chile) nach Buenos Aires über Cape Horn haben wir fantastische kleine oder abgelegene Orte besucht, für die wir aber wohl nicht extra angeflogen wären. So entdeckt man immer wieder versteckte Schätzchen, man anders wohl nie zu sehen bekommen hätte. Die z.B. Falkland Inseln sind natürlich ein spannendes Reiseziel, aber wer macht sich schon auf die beschwerliche Reise in den Südpazifik? -Flüge nur einmal wöchentlich von London über Chile?

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„Jeden Tag zur selben Uhrzeit an den selben Tisch -schrecklich!“
Bei Windstar und Seabourn gibt es keine festen Zeitfenster zum Essen, es kommt aber wieder auf die Reederei an. Manchmal sind auch Food-Beverage Packages buchbar, die die Restaurantbesuche flexibler gestalten, dies ist aber eher auf den grossen Schiffen der Fall.
Auf unseren beiden Cruises, war man zeitlich völlig frei und konnte entweder alleine einen Tisch bekommen, oder an einem grösseren Tisch dazu platziert werden. -Dies haben wir übrigens sehr gern in Anspruch genommen. Auf einem kleinen Schiff gehört es einfach zur diesem speziellen Reiseerlebnis, die übrigen Passagiere kennenzulernen.
Vom Speisenangebot und Qualität waren wir übrigens auf beiden Kreuzfahrten sehr positiv überrascht- vor allem bei Seabourn war die Küche exzellent. Desserts fanden wir etwas süss, aber das finde ich oft- auch an Land. Es ist ein offenes Geheimnis das man pro Kreuzfahrt Woche mit 1-2 zusätzlichen Kilos rechnen sollte. Wohl einer der grössten Nachteile so einer Reise. Es ist einfach zu schwierig abzulehnen, wenn man z.B. bei Lesen in der Lounge konstant auf ein Kuchen-Dessert Vitrine schauen muss.- Remember: ALL INCL!
Trotz diesem sehr gravierenden Problem mit den Kilos, wir werden sicher wieder ein Kreuzfahrt machen und ich denke, es ist auch nicht mehr lange hin. Damit unsere Kleine sich nicht langweilt, würde ich dieses mal evtl. ein mittleres Schiff ausprobieren. Hier habe ich bzgl. Stil und Dinnerqualitäten schon viel gutes über Celebrity Cruises gehört. -Vielleicht wird es diese.
Für alle, die sich auch eine Kreuzfahrt vorstellen können, habe ich hier meine 10 wichtigsten Tips für Eure erste Cruise zusammengestellt:
10 Tips für beginnende Kreuzfahrer
Einen sehr interessanten und unterhaltsamen Blog zum Thema schreibt übrigens Christian Baumann, selbst Offizier auf einem Kreuzfahrtschiff.